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Der postmoderne Roman
ist ein absurder Roman (1999)

mit den Mitteln des konventionellen Romans:
Zynischer, kalter, grauenhafter Mist

Akt: Brüchiges GirlMan kann also Personen erkennen, bestimmte Handlungen, Ort- und Zeitangaben sind auf den ersten Blick wie in einem konventionellen Roman identifizierbar. Auf den zweiten Blick jedoch, das heißt im Verlauf der Lektüre, merkt die Leserin oder der Rezensent, dass die Personen unglaubwürdig sind, nicht aus Fleisch und Blut, nur Sprachrohr für die verqueren Ansichten des Autors, die Handlung abstrus, mit unannehmbar vielen unvollendeten Strängen. Zynischer, kalter, grauenhafter Mist also.

Genau so kann man es in den Kritiken zu postmodernen Romanautoren lesen; die oben genannten beziehen sich auf Don DeLillo.

"Die Mutter aller Menschen ist die Mutter aller Zungen, das, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen," ... mehr

KD Regenbrecht postmodern, Oktober 2008Das ist ungefähr so, als würde man den Figuren in Becketts "Warten auf Godot" vorhalten, so redeten doch keine Penner. Becketts "Godot" jedoch ist zumindest für uns Heutige leicht als absurdes Theater zu erkennen. Der postmoderne Roman zeigt sich in der Fassade des konventionellen Romans, aber die Fassade ist brüchig. Diese Brüchigkeit, die Brüchigkeit des postmodernen Menschen dem postmodernen Roman als Schwäche anzukreiden, ist das übliche Verantwortlichmachen des Boten für die Botschaft.

"Was nun kam, war fordernd, hart, schrie die Sprache des Körpers, die Sprache des Verlangens. Seine Zunge war ein Instrument der Erpressung" ... mehr

Und was sagt zum Beispiel Wikipedia? Bevor man aus dieser Quelle zitiert, sollte daran erinnert werden, dass die Beiträge sich sehr schnell inhaltlich ändern können: sie sind jederzeit editierbar. Dass zum anderen sehr unterschiedliche Beiträge zu ein und demselben Thema in unterschiedlichen Sprachen vorhanden sind (in diesem Falle, deutsch oder englisch zu postmoderner Roman): Der deutsche Eintrag listet knapp 30 internationale Autorennamen auf (März 08), der englischsprachige Beitrag listet nach Anfangsbuchstaben und hat bei C bereits mehr als 30. Ich kann deshalb nur empfehlen, sich den jeweils aktuellen Stand anzuschauen.

Viele meiner Lieblingsautoren sind der Postmoderne zuzurechnen und sind gleichzeitig so unterschiedlich, wie man es kaum in einer Stilrichtung vermuten möchte. Pynchons Postmodernität dokumentiert sich vor allem in seinem enzyklopädisch hybrid parodistischen Roman "Gravity's Rainbow" (Die Enden der Parabel). Nimmt man dagegen Paul Auster, der den Trivialroman bis auf die Spitze trivialisiert, indem er beispielsweise Personen mit Farbnamen versieht, scheint gerade darin eine unglaublich transzendente Komplexität auf: "First of all there is Blue. Later there is White, and then there is Black, and before the beginning there is Brown. Brown broke him in, Brown taught him the ropes, and when Brown grew old, Blue took over. That is how it begins. The place is New York, the time is the present, and neither one will ever change." (Paul Auster: Ghosts, The New York Trilogy, London 1999).

So fängt es an. Der Ort ist New York, die Zeit die Gegenwart und beides wird sich nie ändern.

Andererseits lässt sich wahrscheinlich jeder Postmoderne als Neo-Allesmögliche qualifizieren. Das liegt an der Tatsache, dass sich die Postmoderne gerne der Intertextualität bedient, häufig parodistische Elemente hat, auch dekonstruiert, sich also auf vorausgegangene Literaturepochen bezieht und sich bei den unterschiedlichsten Genres, Moden und Autoren bedient. Auster, wenn man ihn mal genau liest, könnte meiner Einschätzung nach als Neo-Romantiker eingestuft werden, wenn auch nicht in Bezug auf alle seine Romane. The blue notebook als die blaue Blume der Neuzeit.

"Gudrun schaltete einen Gang zurück, rückte näher, näherte sich mir, mir eingehakt und unter, unter Null war es ohnehin, hin und her ..." mehr

»Die Epochenbezeichnung postmodern ist wie jede andere problematisch, weil die Verwendung von Begriffen wie Romantik und romantisch, Klassik und klassisch, oder Moderne und modern eben nicht nur Epochen bezogen (also an Jahreszahlen festzumachen) verwendet werden und wurden. Das gilt natürlich auch für andere. Platt gesagt: Modern war alles mal!

Microsoft Encarta (2001) vermerkt zu moderner Literatur: „unscharfe Bezeichnung für diverse Abgrenzungsbestrebungen junger Literaten gegenüber der älteren Generation (so in Aufklärung, Romantik und Jungem Deutschland), zumeist jedoch für die umfassenden ästhetischen Neuerungsbestrebungen der Literatur, aber auch der Musik, der Architektur und der bildenden Kunst, zwischen 1870 und 1920. Der Begriff „die Moderne” wurde 1886 von Ernst Wolff für die Literatur des Naturalismus geprägt.“

Friedrich Schlegel in dem 1800 erschienenen "Gespräch über Poesie": „Da suche und finde ich das Romantische, bei den ältern Modernen, bei Shakespeare, Cervantes, in der italienischen Poesie, in jenem Zeitalter der Ritter, der Liebe und der Märchen, aus welchem die Sache und das Wort selbst herstammt.“ Sind die Romantiker also die erklärtermaßen ersten Postmodernen?«

Arno "Schmidt versteht" laut Thomas Kröber (Arno Schmidts Romantik-Rezeption, Heidelberg 1998, S. 108) "die Romantiker nach 1945 als moderne Formkünstler"; der Schmidt, dem auch der Spruch "Nur die Phantasielosen flüchten in die Realität; und zerschellen dann, wie billich, dran" zugeschrieben wird. Schmidt war Anhänger eines Phantastischen Realismus, bei dem die Wirklichkeit, der Alltag, knallhart mit dem Phantastischen, dem Wunderbaren konfrontiert wird und sich mischt.

Intertextualität und Selbstreferentialität seien hier als nur zwei der üblichen Kriterien genannt; andere lassen sich leicht recherchieren (vgl. auch N. Luhmann, Zettelkasten).

Die Postmodernen sind Romantiker und die Romantiker waren moderne Realisten: Die Postmoderne ist die moderne Prämoderne.

„Ein Mythos wird vermessen – Rhein, Romantik und neue Raumerfahrung“ ein romantischer Essay (2., überarbeitete Auflage) von Klaus-Dieter Regenbrecht.

412 Seiten, 24,90 Euro: 978-3-925805-91-2 print, 9,99 Euro: 978-3-925805-88-2 ebook

Die Verbindung von Romantik und Landvermessung ist keinesfalls historische Koinzidenz, sondern muss miteinander verknüpft betrachtet werden; und dann ist es auch kein Zufall, wenn sich die Konstellation Romantik und neue Raumerfahrung im Rheinland so spektakulär als Rheinromantik und in den beiden Landvermessern Tranchot und von Müffling mit ihren jeweiligen politischen Systemen im Hintergrund präsentiert; das französische Kaiserreich und das Königreich Preußen. Hier mehr

 

Die apostrophierten Auszüge sind aus meinen postmodernen Romanen:
Transit Wirklichkeit, Stellas Promotion - eine Fottschrift
und Die Rheinland-Papiere oder Die Tricks der Bücher

Gedanken zum postmodernen Roman
Ein Beitrag in der Reihe:
Online On My Mind

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Tabu Litu insgesamt ist natürlich auch ein typisches,
groß angelegtes und zugleich fragmentarisches
Schaustück der Postmoderne.

© 2009 by Klaus-Dieter Regenbrecht (zuletzt ergänzt im Juni 2019)